Im Einzelnen

Durch mein Praktikum habe ich in den nächste Wochen leider wenig Zeit zum Bloggen und voraussichtlich auch wenige Erlebnisse, über die ich berichten darf. Deshalb und aufgrund der noch immer tief sitzenden Frustration möchte ich mich heute noch einmal mit dem Fußballverein RB Leipzig auseinandersetzen. Über die beschämenden Ereignisse des vergangenen Freitags habe ich bereits berichtet. Nun werde ich einen genaueren Blick auf den Wust der Verfehlungen des Vereins werfen. Denn es krankt eigentlich überall.

Um jedoch nicht als kleiner Miesepeter herüber zu kommen, sollen zunächst die positiven Entwicklungen des Vereins ihre verdiente Aufmerksamkeit bekommen: Der Rasen verdient endlich seinen Namen und das eine oder andere neue Lied hat seinen Weg in die Playlist des Stadions gefunden. Aber nun ganz ohne Polemik. Im Angriff hat sich einiges getan. Rockenbach zeigte, dass er in der Tat ein hervorragender Fußballer ist und auch Schinke, Kammlott und Frahn hatten einige gute Aktionen. Chancen hatten die Leipziger einige, davon auch ein paar hochkarätige.

Leider sind wir damit auch schon am Ende der positiven und am Anfang der negativen Seiten der „Bullen“. Nähern wir uns dem Problem Stück für Stück.

Angriff: Von Chancen alleine kann man sich nichts kaufen, wenn die Tore fehlen. Es fehlt an Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor, am unbedingten „Willen, das Ding rein zu machen“, wie der verletzte Frommer noch auf dem Titel des Stadionheftes zitiert wurde.

Mittelfeld offensiv: Trotz Rockenbach ist das Spiel kaum kreativer geworden. Die vielversprechende Reihe Schinke-Rockenbach-Kammlott bleibt unter ihren Möglichkeiten. Kombinationen gab es selten bis nie, auch weil alle Beteiligten die nötige Passsicherheit vermissen ließen. Kammlott hatte ein paar gute Einzelaktionen, versäumte aber, den Ball rechtzeitig abzuspielen. Wie schon in der Hinrunde ist er zu eigensinnig und dribbelt sich permanent fest. Einziger Unterschied: Inzwischen kommt er bis zum dritten Gegner. Flanken wie vor dem 1:0 kommen viel zu selten an.

Mittelfeld defensiv: Von Rost und Baier kommen immer noch zu wenige Impulse nach vorne. Die Spieleröffnung ist in den meisten Fällen armselig. Trotz intensiven Trainings verfielen sie schon nach wenigen Minuten zur alten Gewohnheit, lange hohe Bälle nach vorne zu schlagen. Das ist unkreativ, berechenbar und für die Flügelflitzer kaum sinnvoll zu verwerten. Auch das Umschalten in die Offensive dauert nach wie vor zu lange. In der Rückwärtsbewegung fehlt es an Durchsetzungskraft. Fast alle Zweikämpfe wurden verloren. Von einem „6er“ erwartet man Führungsqualitäten, Signale an die Mannschaft, taktische Anweisungen. Freitag ganz besonders, da Rost Kapitän war. Nichts dergleichen war zu sehen.

Abwehr: Alt und schwach. Zu Spielbeginn betrug der Altersdurchschnitt knapp 33 Jahre. Der später eingewechselte Sebastian bewegt sich, als sei er ebenso alt. Laufduelle werden dadurch verloren, es fehlt an Zweikampfstärke. Doch schlimmer noch: Die Taktik des letzten Spiels schien zu lauten „Konfliktvermeidung durch Konfliktumgehung“. Sprich: Wenn man keine Zweikämpfe führt, kann man auch keine verlieren. Logische Konsequenz daraus: Den Gegner Abseits stellen. Wenn auch das, wie gegen Kiel, so gut wie nie funktioniert und zu mehreren Gegentoren führt, bedeutet das, dass es zudem noch an der Abstimmung fehlt. Dazu noch gefährliche Pässe zu Torwart und anderen Spielern und mangelnde Kommunikation mit dem Mittelfeld vervollständigen die Liste. Kurz gesagt: Es wurde alles falsch gemacht, was irgendwie falsch zu machen geht.

Torwart: Christopher Gäng ist Jahrgang 1988. Der Mann braucht Spielpraxis! Anstatt permanent auf der Bank zu verhungern, muss er spielen, spielen, spielen! Und wenn es in der zweiten Mannschaft ist. So steuerte er seinen Teil zur Niederlage bei. Unentschlossen beim Herauslaufen, schlechte Abstöße und wenig Glück bei seinen Rettungsversuchen waren sein Beitrag. Sicherlich wurde er bei den Treffern brutal im Stich gelassen. Mit mehr Erfahrung und Selbstvertrauen hält er aber mindestens die Gegentore Nummer vier und fünf.

Mannschaft als Ganzes: Bis zum Gegentor konnte man schön beobachten, wie sich das Team als Kollektiv verschob. Taktisch diszipliniert kam der Gegner kaum zu Chancen, weil er früh unter Druck gesetzt wurde. Umso unverständlicher, dass die komplette Mannschaft danach derartig die Linie verlor. Von 4-2-3-1, defensiven Zuteilungen und Abstimmung war kaum noch etwas übrig.

Trainer: Dass die Spieler mit ihrem Coach nur bedingt klarkommen, ist ein offenes Geheimnis. Seit Monaten hört man, Oral erreiche seine Schützlinge nicht. Das mag auch an seiner aufbrausenden Art, die sehr nach der Formulierung „Giftzwerg“ schreit, liegen. Die Heimspiele seit seinem Amtsantritt lassen eigentlich nur zwei Schlüsse zu: Entweder, er kann den Fußballern sein Spielkonzept wirklich nicht vermitteln, oder aber er hat gar keins. Denn wie die „Bullen“ auf dem Platz agieren, sieht nach wie vor planlos aus, Torchancen hin oder her. Und es geht weiter! Wie oft habe ich über die Eckstöße von RB Leipzig geklagt!? Leider scheint es, als würde ich hier Recht behalten. In so gut wie jedem Spiel erarbeitet sich RBL Ecke um Ecke, sodass man irgendwann aufhört, mitzuzählen. Freitag war man der 20 näher als der 10. Wenn bei so einer hohen Anzahl derart wenig Torgefahr ausgeht, sollte man die Taktik endlich endlich endlich überdenken! Mag sie für Oral auf dem Papier auch gefährlich aussehen – wenn seine Spieler es nicht umsetzen können, bringt die Theorie recht wenig. Die Idee mit der Abseitsfalle entpuppte sich auch als falsch. Dem armen Mann scheint im Moment wirklich nichts zu gelingen. Er tat mir auch ehrlich Leid, als ich wie einer von vielen „Oral raus!“ gerufen habe. Aber genauso ehrlich sehe ich für die Kombination Trainer-Mannschaft keine Zukunft.

Verantwortliche: Das Ziel, gleich im ersten Jahr aufzusteigen, hat den Druck enorm erhöht und alle Beteiligten unter Zugzwang gesetzt. So musste man schnell eine Mannschaft formen mit möglichst vielen fertigen Spielern. Mit etwas Ruhe ein Team zu formen, das hauptsächlich aus jungen, motivierten (!) und eingespielten (!!) Spielern besteht, zeigt sich aktuell beeindruckender denn je als das erfolgreichere Modell (siehe Chemnitz oder Dortmund). Dieses Konzept nur auf die Jugendmannschaften anzuwenden und währenddessen mit einer Patchwork-Truppe aufzusteigen, scheint grandios zu scheitern. Vielleicht war daran auch die vakante Position des Sportchefs Schuld. Immerhin wurde hier nun gehandelt und Thomas Linke eingestellt. Kurzfristig ändert das nicht, langfristig war es unbedingt nötig.

Fans: Erfolgshunger, zu hohe Erwartungen und wenig Erfahrung im „Fansein“ ist eine ganz gefährliche Kombination. So wird, teilweise vom Verein geschürt, erwartet, dass jeder Gegner gnadenlos aus dem Stadion geballert wird. Doch so funktioniert Fußball nicht, auch nicht mit einer „Millionenmannschaft“. Da macht sich schnell Frust breit, der zu weiten Teilen auch nachvollziehbar ist. Nichts davon und überhaupt nichts auf der Welt entschuldigt es aber, sein eigenes Team zu verhöhnen und den Gegner anzufeuern. Glücklicherweise hat man das mehr oder weniger eingesehen und sich in einem offenen Brief an die Mannschaft gewandt. Leider ohne eine Form der Worte „Entschuldigung“ oder „es tut uns Leid“.

Und wo wir gerade dabei sind: Tut mir Leid, dass der Artikel wieder so lang geworden ist. Aber glaubt mir, noch nie habe ich gehofft, weniger schreiben zu müssen.

3 Gedanken zu „Im Einzelnen“

  1. In Bezug auf die Fans wird mir ein wenig arg mit der Moralkeule geschwungen. Sachen wie „Ekelhaft“ (Fan-Forum) oder „durch nichts in der Welt zu entschuldigen“ (Schmand) würden mir aktuell im Zusammenhang mit Gaddafi in den Sinn kommen, aber nicht mit einem Fanverhalten, das sich nicht durch Gewalt, Böllerwürfe oder persönliche Beleidigungen geäußert hat, sondern nur durch eine bestimmte Art der Unterstützungs-Verweigerung.

    Was muss man dann lesen, wenn irgendwann mal ein Böller aus dem RB-Block fliegt? Wird dann die Todesstrafe gefordert?

  2. böller haben ja nichts mit der beurteilung der mannschaftsleistung zu tun. das wäre ebenso unentschuldbar, nur in einem völlig anderen zusammenhang.

    unterstützungs-verweigerung ist das eine. pfiffe sind in ordnung, dem spielfeld den rücken zuwenden im notfall auch. das reicht aber vollkommen aus. die spieler verhöhnen, etc. schießt für mich deutlich über das ziel hinaus und ich habe mich dafür geschämt, in dem block zu stehen. gepfiffen und geschimpft habe ich auch. das muss auch sein. aber auf diese form der „unterstützungs-verweigerung“ kann ich gerne verzichten.
    wird vmtl. auch nicht mehr so schnell vorkommen ;)

  3. Klar kann man da geteilter Meinung sein, von mir aus auch dagegen (die jungen Spieler, denen man nicht nachsagen kann, nicht vollen Einsatz gezeigt zu haben, wurden beispielsweise vollkommen zu Unrecht mitverhöhnt). Aber ich habe jetzt schon ein paar Mal Beurteilungen dieser Aktion gelesen, bei deren Wortlaut man eher annehmen könnte, die Fans hätten ihre eigenen Spieler mit Leuchtraketen beschossen. Man kann es da auch einfach übertreiben.

Hinterlasse einen Kommentar