2010 – Das Sportjahr

Chaotisch begann das Jahr aus sportlicher Sicht. Bei traumhaftem Winterwetter in Deutschland scheiterten die deutschen Handballer bei der Europameisterschaft kläglich, wurden nur Zehnter. Während hierzulande mit den Schneemassen gekämpft wurde, beklagte man am anderen Ende der Welt, in Vancouver, Frühlingswetter. Plusgrade und zu wenig Schneereserven ließen Zweifel aufkommen, ob die Olympischen Winterspiele reibungslos ablaufen würden.

Die Pannenmeldungen überwogen folglich in den ersten Tagen der Spiele. Das olympische Feuer konnte nicht wie geplant entzündet werden, Alpine Skipisten waren nicht befahrbar, Tribünen hielten dem Tauwetter nicht stand, Eisflächen waren brüchig. Talkmaster David Letterman scherzte: „Schon mehrere Eiskunstläuferinnen sind bereits eingebrochen.“ Für den meisten Wirbel sorgte der Eiskanal, in dem die Bob- und Rodelwettbewerbe stattfanden. Geschwindigkeiten über 150 km/h und unzählige Stürze beherrschten das Bild. Überschattet wurden die ganzen Spiele durch den tragischen Todesfall des georgischen Rodlers Nodar Kumaritashvili. Beim Training vor der Eröffnungsfeier wurde er aus der Bahn gegen einen Stahlträger geschleudert. Eine heiße Diskussion um die Sicherheit der Sportler und den Geschwindigkeitswahn entbrannte. Mittlerweile, fast ein Jahr später, wurde die Bahn geringfügig umgebaut und auch an weiteren Strecken wurden die Sicherheitsstandards erhöht. Nichts davon kann dem viel zu jung verstorbenen Georgier noch helfen, aber wenigstens scheint man aus seinem Schicksal gelernt zu haben.

Trotz Kritik an der Organisation konnte Kanada sportlich überzeugen. Das zweitgrößte Land der Erde konnte nicht nur seine erste olympische Goldmedaille gewinnen, sondern derer gleich 14 und somit den souveränen ersten Platz im Medaillenspiegel. Deutschland belegte in der Nationenwertung vor den USA den zweiten Platz, nachdem eigentlich alles lief wie immer. Mit 30 Mal Edelmetall konnte der Richtwert der letzten Jahre erreicht werden, aus guter Tradition gab es am häufigsten Silber. Großer Nachholbedarf besteht allerdings in den „neuen“ Sportarten, Ski- und Snowboardcross und den Freestyle-Wettbewerben. Die ehemalige Erfolgssportart Skispringen versinkt in Deutschland in der Bedeutungslosigkeit. Völlig überraschend können die Ski-Adler im Mannschaftswettbewerb die Silbermedaille holen, kommen aber im Rest der Saison auf keinen grünen Zweig. Stattdessen dominieren Gregor Schlierenzauer und Simon Ammann das Weltcup-Geschehen.  Mit/trotz/dank neuer Bindung fliegt der Schweizer zu seinen Olympia-Titeln drei und vier.

Die Medien berichteten erstmals flächendeckend im HD-Format. Was jedoch im Gedächtnis bleibt, sind der ZDF-Biber und diverse Wortspielereien, vor allem im Alpinbereich, wenn Herrn Miller der Körper eines „Bode-Builders“ bescheinigt wurde oder Lindsey allen „auf und daVonn“ fuhr.

Im Fußball wurde in den Wochen danach ein fast erfolgreiches Jahr 2010 eingeläutet. Hamburg scheitert mal wieder im Halbfinale des Europapokals, Bayern scheitert knapp am Triple, wird aber Meister, zerlegt Bremen im DFB-Pokalfinale und erlebt die Geburt des „Feierbiestes„. Berlin steigt ab, Fürth wieder mal nicht auf. Anschließend ist Fußball-Deutschland gespalten. Team Löw/Bierhoff oder Team Zwanziger? Team Kuranyi/Kießling oder Team Klose/Gomez? Team Adler oder Team Neuer? Und dann waren da ja noch Michael Ballack und der Huf des Kevin-Prince Boateng. Letztendlich löste sich alles in Wohlgefallen auf. Deutschland spielte eine fabelhafte WM mit dem Spiel des Jahrhunderts gegen Argentinien, Miro Klose schließt nicht nur zu Gerd Müller in der WM-Torjägerliste auf und feiert einen Müller-Hohensteinschen „inneren Reichsparteitag“, sondern entpuppt sich auch als Entertainer auf Pressekonferenzen und Theo Zwanziger stellt Jogi Löw einen sportlichen Heiratsantrag. Kuranyi und Ballack laufen nach er Sommerpause ins DFB-Abseits – Ballack verletzt sich erneut und Kuranyi wechselt zu Dynamo Moskau, wo seitdem kein Hahn mehr nach ihm kräht.

Einige Erziehungsmaßnahmen konnte die Weltmeisterschaft in Südafrika bewirken. Mittlerweile wird es wohl niemanden mehr geben, der „Vuvuzela“ für ein Land in Südamerika hält, Deutschlands Ruf als Fußball-Arbeiter dürfte nun der Vergangenheit angehören und weltweit wurde der Fußball einer Verjüngungskur unterzogen. Die Seniorenteams aus Italien und Griechenland beispielsweise scheiterten in der Vorrunde und Frankreich (das eigentlich gar nicht hätte dabei sein dürfen) sorgte mit seinen bockigen Spieler-Grüppchen für einen von außen betrachtet sehr unterhaltsamen Eklat. Der Trend zur Jugend macht sich nun auch in der Bundesliga bemerkbar: Die Mannschaften der Hinrunde sind Dortmund und Mainz mit ihren unzähligen „jungen Wilden“ (Schürrle, Holtby, Sahin, Großkreutz, …). Wenn sich das mit dem schönen Fußball herum spricht, sehen wir bei der nächsten WM vielleicht auch wieder Tore. Einer wird dann allerdings trotzdem fehlen: Krake Paul.

Neben den Großereignissen Olympia und Fußball-WM geriet fast in Vergessenheit, dass Deutschland bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Barcelona 16 Medaillen ergattern konnte, darunter durch Verena Sailers 100-Meter-Erfolg die erste Sprintmedaille seit 16 Jahren und ein Doppelsieg der Damen im Speerwurf. Auch Martin Kaymer sollte Erwähnung finden, der es als zweiter Deutscher überhaupt schaffte, eines der vier Major-Turniere im internationalen Golfsport zu gewinnen.

Das Ende des Sportjahres 2010 gehörte zweifelsohne Sebastian Vettel, dem jüngsten Formel-1-Weltmeister aller Zeiten. „Einen Platz besser“ als im Vorjahr wollte er werden und das gelang ihm eindrucksvoll in einer der spannendsten Saisons der Geschichte. Der junge Heppenheimer sorgte dafür, dass das Comeback Michael Schumachers zu einer Randbemerkung verkam. Neben Sebastian Vettel haben sich kürzlich auch die deutschen Rodlerinnen in die Geschichtsbücher eingetragen. Seit 1997 haben sie kein Weltcuprennen mehr verloren und im Dezember die 100 „voll gemacht“.

In Wimbledon gab es ein Spiel für die Ewigkeit. Nicolas Mahut spielte gegen John Isner. Dienstag begannen sie, Donnerstag gab es den Gewinner. Mit 11 Stunden und 5 Minuten Spielzeit trennten sie sich schließlich im fünften Satz mit 68:70 Punkten – das längste Tennismatch der Geschichte.

Aus der Kategorie „Sonstiges“ ist zu berichten, dass sich die New Orleans Saints den ersten NFL-Titel in der Vereinsgeschichte holen. Die deutsche Curling-Mannschaft wurde Weltmeister. Die Tour de France blieb ohne Doping-Nachricht, wurde allerdings durch schwere Vorwürfte von Ex-Profi Floyd Landis begleitet. Auch Tour-Sieger Alberto Contador wird kritisch beäugt. In Singapur finden die ersten Olympischen Jugend-Sommerspiele statt. Nicht ganz überraschend holt China mit Abstand die meisten Medaillen. Die FIFA vergibt in einer Skandal-Entscheidung die Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland und Katar. Zuvor hat ein Korruptions-Skandal den Weltverband erschüttert. Vitali Klitschko verprügelt Shannon Briggs vor 14 Millionen TV-Zuschauern. Für die Leistungen bei der Fußball-WM erhielt die Deutsche Nationalmannschaft nicht nur das silberne Lorbeerblatt, sondern auch den deutschen Fernsehpreis. Dazu bekamen Jogi Löw das Bundesverdienstkreuz und Mesut Özil den Traditionspreis des Integrations-Bambis verliehen. Die deutsche U20-Nationalmannschaft der Frauen gewinnt souverän und bei Top-Stimmung die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land. Bei der Basketball-WM in der Türkei zeigen die „Bauermänner“ zwei herausragende Spiele gegen Argentinien und Serbien, scheiden aber in der Vorrunde aus.

Abwechslungsreich und Erfolgreich war es, das Sportjahr 2010. Auf Vollständigkeit wird kein Anspruch erhoben. Ergänzungen, persönliche Highlights und interessante oder lustige Sportvideos aus dem Jahr 2010 sind sehr willkommen.

Ein Gedanke zu “2010 – Das Sportjahr”

  1. Na, wir wollen mal nicht die Haut des Wildschweins verkaufen, bevor es erlegt ist. Nach 10 Jahren schon vom „Spiel des Jahrhunderts“ zu sprechen, halte ich doch für reichlich gewagt… wobei mich die Hervorhebung ein bisschen stutzig gemacht hat. Soll es am Ende womöglich einfach nur bis zum nächsten Jahrhundert keine weiteren Spiele gegen Argentinien mehr geben?

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